Drei Plastiken von Gerhard Thieme – Audiodeskriptionen

Einführung

Mit diesen Audiodeskriptionen lernen wir die Bronzeplastiken Der Angler, Der Leierkastenmann und Eckensteher Nante des Berliner Bildhauers Gerhard Thieme kennen.

Gerhard Thieme lebte von 1928 bis 2018. Die drei Plastiken wurden von ihm 1987 für das wiederaufgebaute Nikolaiviertel geschaffen. Bei allen drei Motiven handelt es sich um Berliner Typen beziehungsweise Berliner Originale. Sie sollen dem Betrachter das Milieu des alten Berlins zwischen 1800 und 1900 näherbringen, geben aber auch Zeugnis von dem künstlerischen Können des Bildhauers, der fantasievolle Details anzubringen wusste.

Plastik Der Angler

Die Plastik Der Angler steht frei unweit der Treppe, die von der Rathausstraße zur Promenade Am Spreeufer hinunterführt. Sie besteht aus zwei Teilen, einer Platte am Boden und der Figur des Anglers. Verbunden sind beide Teile durch einen Pfahl, auf dem der Angler, ein Mann, sitzt. Die Plastik ist etwa zwei Meter groß. Auf der Platte sind schmale Wölbungen zu erkennen, die Wellen darstellen sollen. Sie bewegen sich alle – wie bei einem Strudel – um einen Mittelpunkt herum. Neben oder auf den Wellen gibt es sechs größere, etwa sieben bis zehn Zentimeter lange Erhebungen. Das sind Fische, die detailliert mit ihren Mäulern, Flossen und Schwänzen gestaltet sind. Der Pfahl, der die Bodenplatte und den Angler verbindet, besitzt einen Durchmesser von etwa zehn Zentimeter. Der Angler, der auf dem Pfahl sitzt, ist etwa ein Meter und zwanzig Zentimeter groß. Seine Arme hat der Mann, in typischer Anglerhaltung, auf den Oberschenkeln aufgestützt. Seine Beine baumeln herab. Detailliert sind seine Hände dargestellt. Finger, Fingerknöchel, Fingerspitzen, alles kann man gut voneinander unterscheiden. Ursprünglich hielt er eine Angel in der Hand, aber die wurde ihm gestohlen, so dass ihm kreative Betrachter immer wieder einen Stock zwischen die Finger stecken und ein Band daran binden, das die Angelschnur darstellen soll. Der Mann trägt Latschen, eine weite Hose und eine offene Jacke mit Kragen. Um den Hals hat er ein Tuch gebunden. Das Markanteste an seinem Gesicht ist die runde an eine kleine Kartoffel erinnernde, Nase. Auf seinem Kopf sitzt eine Schiebermütze.

Plastik Der Leierkastenmann

Die etwa zwei Meter große Figur des „Leierkastenmannes“ steht im Hofgarten des Restaurants „Fischer & Lustig“ in der Poststraße. Sie befindet sich in etwa 80 Zentimeter Höhe auf einem aus Steinblöcken gefügten rechteckigen Sockel. Ihren Untergrund bildet eine gerundete Bronzeplatte, in der Fachsprache auch Plinthe genannt. Im Mittelpunkt der Plastik steht ein Leierkastenmann mit einer Pauke auf dem Rücken. Vor ihm der Leierkasten, den er dreht und auf dem ein kleiner Affe sitzt, hinter ihm ein Hund, der den Kopf in die Höhe streckt. Zu den Details: Der etwa ein Quadratmeter große und mit verschiedenen Verzierungen versehene Leierkasten steht auf vier Rädern mit Querstreben in der Mitte. Links auf dem Kasten befindet sich ein Tellerchen, in das die Hörer*innen der Leierkastenmusik ihre Münzen werfen. Auf der rechten Kastenseite hockt ein kleiner unbekleideter Affe. Er hat große Augen und Ohren, eine breite Stirn, eine flache Nase und eine hervorspringende Schnauze. Mit seinen kräftigen Zehen hält er sich am Rand des Leierkastens fest. Den etwa 50 Zentimeter langen Schwanz hat er auf dem Kasten abgelegt, wobei sich das Ende des Schwanzes in die Höhe ringelt.  Den rechten Arm streckt der Affe dem Betrachter mit geöffneter Hand entgegen, sein linker Arm hingegen geht in Richtung Kopf und sein ausgestreckter Finger zeigt einen Vogel! Der Leierkastenmann trägt Stiefel, eine eng anliegende Hose und einen Frack, der am Ende, etwa in Kniehöhe, absteht. Um den Hals hat er ein Tuch gebunden. Seine rechte Hand dreht eine Kurbel, die mit dem Leierkasten verbunden ist. Sehr realistisch ist der Kopf vom Bildhauer herausgearbeitet worden. Da ist zum einen sein dichter krauser Bart, der Kinn und Wangen bedeckt und unmittelbar ins Haupthaar übergeht. Ein zweites Detail ist das etwa zwei Zentimeter lange Rundstück, das aus seinem Mund herausragt, seine Zigarre. Das dritte Detail ist sein Hut. Er besitzt eine breite Krempe und darüber einen runden, etwa zehn Zentimeter hohen Zylinder. Auf der hinteren Seite der Plastik stoßen wir auf den eingangs erwähnten Hund. Er ist etwa 50 Zentimeter groß, sitzt aufrecht, hat den Kopf in die Höhe gestreckt und das Maul offen. Zunge und Zähne sind gut erkennbar. Links vom Körper liegt der etwa dreißig Zentimeter lange Schwanz des Hundes auf dem Boden auf, seine Spitze ragt schlangengleich in die Höhe. Auf den Rücken geschnallt hat der Leierkastenmann sein zweites Instrument, eine Pauke mit Schlagbecken. Die Pauke hat die Form einer geschlossenen Tonne. Sie ist etwa 30 Zentimeter breit und hat einen Durchmesser von etwa 50 Zentimeter. Auf ihrer linken Seite befindet sich der runde Schlägelkopf und noch einmal links davon den eigentlichen Schlägel, der unter den linken Unterarm des Leierkastenmannes geklemmt ist. Auf der Pauke schließlich ein spitzer Aufsatz mit zwei Becken in der Mitte, sogenannte Tschinellen.

Eckensteher Nante

Die Bronzeplastik Eckensteher Nante steht frei an der Ecke Spandauer Straße / Straße Am Nußbaum. Sie befindet sich in etwa 80 Zentimeter Höhe auf einem aus Steinblöcken gefügten rechteckigen Sockel. Ihren Untergrund bildet eine gerundete Bronzeplatte, in der Fachsprache auch Plinthe genannt. Sie besteht aus drei Teilen, der Figur des Nante, der Figur einer Blumenfrau und der Figur eines Berliner Schusterjungen. Die Figuren gruppieren sich um einen Wegweiser mit den Hinweisschildern „Köpenick“, „Pankow“ und „Mitte“. Die Plastik ist etwa zwei Meter groß, eine Ausnahme bilden die Hinweisschilder mit den Ortsnamen, sie befinden sich in etwa drei Meter Höhe. Die sitzende Figur der Blumenfrau auf der linken Seite der Plastik ist etwa 50 Zentimeter hoch und 80 Zentimeter breit. Umgeben ist sie von blumenkohlartigen Gebilden. Das sind die Blumensträuße, die sie anbietet. Unterhalb der Sträuße befinden sich die beiden Körbe, in denen die Blumen transportiert wurden. An zwei Stellen rechts und links ragen die Henkel der Körbe in Form von geriffelten Halbbögen heraus. In der Mitte zwischen den Körben entdecken wir die halbrunde Fußspitze der Blumenfrau. Darüber beginnt die glatte Fläche ihres Kleides beziehungsweise der Schürze, die sie über dem Kleid trägt. Die Frau sitzt breitbeinig, ihr Kleid ist gespannt. Unterbrochen wird die Fläche des Kleides nur durch einen Strauß etwa in Brusthöhe, den die Frau mit der rechten Hand nach vorne streckt. Der linke Arm ist in die Hüfte gestemmt. Ihr Gesicht in etwa einem Meter Höhe ist sehr realistisch gestaltet. Ihr Mund lächelt, ihre Nase glänzt vom Anfassen. Ihre Augen sind etwas unter der breiten Krempe ihres Strohhutes verborgen. Die Krone des Hutes ist mit etlichen kleinen Ornamenten verziert, die vermutlich Blumenschmuck darstellen sollen. Die Hauptfigur der Plastik ist der Nante, der die rechte Seite vollständig einnimmt. Die Figur des Eckenstehers ist ungefähr zwei Meter groß und sehr schlank, sie lehnt mit dem Rücken an dem Wegweiser in der Mitte. Zum Hintergrund: Den Eckensteher Nante gab es im 19. Jahrhundert in Berlin tatsächlich, er hieß Ferdinand Strumpf und war ein Dienstmann, ein Gelegenheitsarbeiter mit Herz und Schnauze, der einen festen Standort in der Stadt einnahm und das Geschehen in seinem Umfeld mit Berliner Humor kommentierte. Der Nante trägt Latschen, eng anliegende Hosen und Jacke und auf dem Kopf eine Schiebermütze. Über den Oberkörper hat er sich ein etwa fünf Zentimeter breites Band gelegt, ein Trageband zum Transport von Lasten, sein Arbeitsgerät sozusagen. Der linke Arm – auf der rechten Seite der Figur – ist über der Brust verschränkt und liegt in der Beuge des rechten Armes – auf der linken Seite der Figur – auf. Der rechte Oberarm ist in die Höhe gestreckt. Der Nante macht eine Faust, nur der Daumen ragt heraus und zeigt in die linke Richtung. Wiederum sehr detailliert und realistisch ist das Gesicht des Mannes dargestellt. Der Bildhauer hat ihm einen selbstbewussten und forschen Ausdruck verliehen. Es besitzt ein kräftiges rundes Kinn, die Lippen sind leicht gewölbt, die Nase guckt frei in die Luft, die Augen sind etwas zugekniffen.  Vielleicht pfeift der Nante gerade ein Lied oder er beobachtet etwas mit spöttischer Miene? Auf seinem Kopf finden Sie seine Schiebermütze mit der Krempe auf der Vorderseite und dem flachen Deckel. Zum Schluss wenden wir uns der etwa ein Meter großen Figur des Schusterjungen auf der Rückseite der Plastik zu. Auffällig sind die vielen unterschiedlich großen runden Teile, mit denen der schmale Körper des Jungen fast vollständig bedeckt ist. Das sind die Stiefel, Schuhe und Latschen, die er transportiert. Das Gesicht ist schmal, Mund und Augen sind schmal, die Nase dagegen ist relativ groß. Man spürt die Müdigkeit, die aus dem Gesicht des Jungen spricht. Die kleinen Wölbungen auf seiner Stirn stellen die Fransen seiner Haare dar, die er in die Stirn gekämmt hat. Auch er trägt eine Schiebermütze.