Humboldt Forum
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Das Humboldt Forum – Berlins umstrittene Mitte
Das Berliner Schloss als Kulturzentrum Humboldt Forum, umgangssprachlich auch als Stadtschloss bezeichnet, ist die Rekonstruktion der Hauptresidenz der Kurfürsten von Brandenburg aus dem Haus Hohenzollern, die 1701 zu preußischen Königen und 1871 zu deutschen Kaisern aufstiegen. Der Grundstein für das Berliner Schloss wurde bereits am 31. Juli 1443 gelegt. Mit dem Bau dieses Schlosses reagierte der Hohenzollern Kurfürst Friedrich II. auf die Streitigkeiten der Doppelstadt Berlin und Cölln. Der Bau sollte der Selbstständigkeit beider Städte entgegenwirken. Das Schloss wurde im Auftrag Friedrichs I. unter der Leitung von Andreas Schlüter umgebaut. Es entstand von 1698 bis 1718 nach Entwürfen der Architekten Andreas Schlüter und Johann Friedrich von Eosander. Es galt als einer der bedeutendsten profanen Barockbauten nördlich der Alpen.
Hohenzollernresidenz war das Berliner Schloss allerdings nur bis zur Revolution im November 1918. Karl Liebknecht, sozialdemokratischer Politiker und Mitbegründer der KPD, erklärte es zu Volkseigentum, und die preußische Regierung verstaatlichte es. Es war also nun das Schloss der Republik. In der Zeit der Weimarer Republik wurde es zu einem Zentrum von Wissenschaft und Kultur: Kunstgewerbemuseum, Museum für Leibesübungen, Deutscher Akademischer Austauschdienst, Kaiser Wilhelm Gesellschaft, sie alle hatten ihren Sitz im Schloss. Der Schlüterhof wurde zur Kulisse festlicher Konzerte, die ehemalige Silberkammer nutzte die Deutsche Kunstgemeinschaft, unterstützt von Max Beckmann und Käthe Kollwitz, für Verkaufsausstellungen für den kleinen Geldbeutel.
Das Berliner Schloss wurde am 3. Februar 1945 von mehreren schweren Spreng- und unzähligen Brandbomben getroffen, dennoch war das riesige Bauwerk weniger zerstört als z.B. das Charlottenburger Schloss. In seinen Mauern stand es, zwar ausgebrannt, dennoch festgefügt da. Auch viele Kunstwerke hatten das Inferno des Zweiten Weltkrieges unbeschadet überstanden. Ein knappes Drittel des Vorkriegsinventars, also etwa 600 Kunstwerke, war in Deutschland noch vorhanden. Die DDR-Führung entschied sich jedoch für den Abriss des Schlosses. Die Hauptstadt der DDR sollte an dieser prominenten Stelle in Berlins Mitte durch neue und ganz andere Bauten repräsentiert werden. So wurde das kriegsbeschädigte, aber bei weitem nicht irreparabel zerstörte Schloss, 1950–1951 trotz internationaler Proteste, gesprengt. Walter Ulbricht machte den ehemaligen Schlossplatz zum Marx-Engels-Platz und zugleich zum Parade- und Aufmarschplatz. Später erbaute die DDR an dieser Stelle den Palast der Republik. Dieser war der erste freitragende Stahlskelettbau in der DDR.
Dem Bau des Palastes der Republik lag das Konzept eines Volksheimes oder Volkshauses zugrunde. Ein Beispiel dafür wäre z.B. in Frankreich das Centre Georges Pompidou. Der Palast der Republik war Sitz der Volkskammer, dem Parlament der DDR und auch ein Kulturhaus mit vielen Veranstaltungsräumen, Gaststätten und Cafés. Veranstaltungen wie „Ein Kessel Buntes“ und Auftritte von Bands wie z.B. „Santana“ waren beliebte kulturelle Ereignisse. Das Theater im Palast (TiP) bot ab 1976 Inszenierungen an. Im Spielplan fanden sich zahlreiche Uraufführungen zeitgenössischer Werke und Erstaufführungen. Szenische Kammermusik, kleine Opern, klassische Konzerte und Jazz gehörten ebenfalls zum Veranstaltungsrepertoire. Regisseure waren u.a. Ruth Berghaus, Wolfgang Heinz, und Heiner Müller. Lesungen mit Schriftstellern wie z.B. Günther Grass, Christoph Hein, Erwin Strittmatter und Christa Wolf waren sehr beliebt.
Der Palast wurde am 19. September 1990 auf Anweisung der Regierung der DDR geschlossen. Das in der Mitte seiner Hauptfassade angebrachte mehrere Meter hohe, in Kupfer getriebene DDR-Staatswappen wurde noch vor der deutschen Wiedervereinigung am 5. Juni 1990 auf Beschluss der frei gewählten Volkskammer demontiert. Eine Sanierung war aus verschiedenen Gründen, unter anderem finanziellen, zu diesem Zeitpunkt nicht geplant. Allein die Asbestsanierungskosten hätten bei 500 Millionen DM gelegen.
Die stadtplanerische Entwicklung des Berliner Schlossplatzes war aufgrund der zentralen Lage des Platzes und der geschichtlichen Bedeutung von Schloss und Palast seit der deutschen Wiedervereinigung Gegenstand intensiver Diskussionen, an denen unterschiedliche Akteure und Interessensgruppen beteiligt waren. Bei der Entscheidung zwischen Wiederaufbau oder Abriss des Palastes der Republik standen sich im Wesentlichen zwei Gruppen gegenüber: Die Fraktion der Befürworter eines Abrisses sah darin die Chance zur Wiederherstellung der historischen Mitte Berlins. Der Verlust des Palastes wurde unter Verweis auf Kostenaufwand, Architekturqualität und ein nicht geklärtes Nachnutzungskonzept als hinnehmbar angesehen. Als prominentes Mitglied der Gruppe der Gegner des Abrisses verwies Bruno Flierl auf die historische Bedeutung als ikonisches Gebäude der DDR. Seiner Meinung nach sollte man die DDR- Architektur nicht einfach ignorieren, sondern als Teil der Geschichte Berlins bewahren. Auch die kulturelle Vielfalt würde durch den Erhalt des Ortes die Stadt bereichern.
Der Förderverein Berliner Schloss, am 27. August 1992 gegründet, machte sich stark für eine erneute Wiedererrichtung des Hohenzollernschlosses und argumentierte mit der Bedeutung des Berliner Schlosses als Kunst und Baudenkmal. Laut Satzung des Vereins sollte dieser durchgeführt werden in „weitestgehender Originaltreue seiner Fassaden und Höfe sowie wichtiger historischer Innenräume für Bildungs- und kulturelle Zwecke“. Aufgabe des Fördervereins war und ist bis heute die Beschaffung von Finanzmitteln, insbesondere das Einwerben von Spenden für den Wiederaufbau des Berliner Schlosses als Kulturzentrum Humboldt Forum. Das private Engagement des Fördervereins Berliner Schloss um den Hamburger Kaufmann Wilhelm von Boddien hatte sicherlich bei der Entscheidung von Bund und Berlin eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Die Bundesregierung und der Senat von Berlin ließen sich offenbar überzeugen, denn sie setzten im November 2000 die Expertenkommission Historische Mitte Berlin ein, um Vorschläge zur Architektur und Nutzung eines Neubaus auf dem Schlossplatz zu erarbeiten. Der Kommission gehörten Fachleute aus verschiedenen Berufen an, darunter Historiker, Architekten, Museologen, Denkmalpfleger und Politiker. Als einziges Mitglied der Expertenkommission Historische Mitte Berlin gab Bruno Flierl ein Votum gegen den Schlossneubau und für den Erhalt des Palastes der Republik ab. Am 4. Juli 2002 stand dann der Beschluss des Deutschen Bundestages: Der Palast sollte abgerissen und an seiner Stelle das Berliner Schloss wieder aufgebaut werden. Auf Beschluss des Deutschen Bundestags erfolgte von 2013 bis 2020 nach Plänen des italienischen Architekten Franco Stella der Wiederaufbau des Berliner Schlosses. Zugrunde gelegt wurden die ursprünglichen Maße in Form einer Rekonstruktion der Fassaden, der Kuppel und zweier Höfe, wobei der zur Spree gelegene Flügel einen klaren modernen Akzent setzt. Die rekonstruierten Fassaden wurden durch Steuermittel des Bundes und Berlins finanziert. Die figuralen Elemente an den Fassaden wurden vollständig durch private Spenden finanziert. Auf eine Rekonstruktion der Innenräume wurde verzichtet, der Architekt Franco Stella hat sie jedoch in der Grundanlage des Baus bewusst als spätere Option mit angelegt. Die Entscheidung darüber, ob die Innenräume rekonstruiert werden, ist also möglich.
Die Auseinandersetzung um das Humboldt Forum und seine Nutzung ging auch während und nach dem Bau in unverminderter Stärke weiter. Die Rekonstruktion der barocken Fassade des ehemaligen Stadtschlosses, wurde und wird von Kritiker*innen als Symbol der preußischen Monarchie und des deutschen Kolonialismus angesehen. Die Gegenseite hob die Bedeutung des Schlüter’schen Baus hervor und verwies auch auf den anderen zeitlichen Kontext. Besonders lyrisch formulierte das etwa der Ehemalige Direktor der Preußischen Schlösser und Gärten Herr Ernst Gall: „Schlüter baute in höheren Sphären. Es gibt eine Schönheit der Form, die sich über den anfänglichen Zweck erhebt; so wird auch niemand deshalb zum Monarchisten, weil Schlüters streng geformte Wände des Berliner Schlosses ihn bewundernd aufschauen lassen.“
Das Problem des Humboldt Forums als Ausstellungsort ist allerdings ein grundlegendes. Errichtet wurde das Gebäude als wiederaufgebautes „Berliner Schloss“, über dessen Nutzung man sich sehr lange nicht einig war, und nicht als Ausstellungshalle. Das barocke Stadtschloss sollte an preußischen Glanz erinnern, darüber hinaus aber auch ganz pragmatisch und modern alles Mögliche enthalten. Zum Beispiel: die Berliner Landesbibliothek, ein Hotel, eine Shopping-Mall. Die heutigen Räume der ethnologischen Sammlungen waren ursprünglich nicht für Dauerausstellungen vorgesehen. Darüber hinaus wurden große Teile des Humboldt Forums in „Module“ aufgeteilt. Das macht es schwer, wenn nicht unmöglich, komplexe Themen auch wirklich angemessen darzustellen. Eine ausführliche Darstellung größerer Zusammenhänge ist nur bedingt möglich.
So klagen die Ausstellungsmacher über zu hohe, zu lange, zu unförmige Räume, über ausladende Fensterfronten, die als solche nutzlos sind und mühsam abgehangen werden müssen. Solche architekturbedingten Schwierigkeiten finden sich viele im Humboldt Forum.
Ein weiterer Kritikpunkt ist der Umgang, die Präsentation und die Herkunft ethnologischer Sammlungen, die hier gezeigt werden. Auch Fragen nach geraubten oder zu Unrecht erworbenen Objekten begleiteten die Diskussion zur Nutzung von Anfang an.
Eine Eigentumsrückübertragung wird in vielen Fällen den Gesamtbestand umfassen. Besonders prominent war und ist die Diskussion über die Rückgabe der Benin Bronzen an den nigerianischen Staat, die im Frühjahr 2023 eingeleitet wurde. Diskutiert wird auch, ob die jeweiligen Objekte in der Form von Leihgaben und in Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern weiterhin im Forum gezeigt werden dürfen.
Nach immensen Geburtswehen scheint nun das Berliner Schloss als Humboldt Forum aus dem heutigen Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Es wird weiterhin umstritten sein, aber das hat auch sein Gutes: Was umstritten ist, ist im Gespräch. Es bleibt präsent und mahnt immer wieder die intensive Auseinandersetzung mit allen Formen und Phasen unserer Geschichte an. Bei den Besuchern des Humboldt Forums bemerkt man eine Mischung aus Sprachlosigkeit und bewundernder Anerkennung, aber vor allem ein großes Interesse daran, was noch kommen wird. Das ist sicher eine gute Voraussetzung für einen Ort, der es sich zur Aufgabe gesetzt hat mit allen seinen Angeboten in den Dialog mit den Besucher*innen zu treten, und dabei die Betrachtung der Kulturen der Welt in den Mittelpunkt zu stellen. Das Humboldt Forum möchte bewusst als Teilnehmer in diesem Dialog und eben nicht als Lehrmeister eurozentristischer Ansichten auftreten.
Abschließend erwähnenswert ist noch die Dachterrasse mit Restaurant. In 30 Metern Höhe bietet sie Ausblicke auf den Berliner Dom und die Museumsinsel im Norden, das Rote Rathaus und den Fernsehturm im Osten, den Neuen Marstall und das ehemalige DDR-Staatsratsgebäude im Süden sowie die Prachtstraße Unter den Linden und das Brandenburger Tor im Westen. Ein Rundum-Panorama zu Berlins historischer und kultureller Mitte also.
Mehr zum Humboldt Forum
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