Ein Braukurs am Südstern

„Da haben wir beim Bier gesessen und über dem Bier die Zeit vergessen!“ heißt es in einem Vers des fränkischen Mundartdichters Karl Theodor Kupfernagel, der in seiner berühmten ‚Bierfibel‘ so einiges zum gebrauten Schaumgetränk zu reimen wusste. Vom Biertrinker zum Bierfreund sind es bei ihm nicht mehr als zwei gesellige Zeilen, um dann am Schluss aber – in ganz unverblümter Anlehnung an ein berühmtes Vorbild – resigniert festzustellen: „Zum Kenner wird man so wohl nie, denn grau, mein Freund, ist alle Theorie!“ Und wie bunt die Praxis ist, oder doch wenigsten sein kann, davon soll dieser kleine Streifzug erzählen:

Also machen wir uns an einem frühen Samstagmorgen auf den Weg zur Hasenheide, genauer gesagt zum Brauhaus Südstern. Dort nämlich findet für interessierte Freunde der Brau- und Bierkunst regelmäßig samstags ein Braukurs statt. Schon vor Wochen haben wir uns angemeldet, denn oft sind diese Kurse auf Wochen hinaus ausgebucht und reserviert. Da wollten wir wenigstens sicher gehen, den Wecker nicht umsonst so früh gestellt zu haben. Und das war richtig so! Mit uns treffen die anderen Kursteilnehmer ein und schon bald ist die „gesellige Obergrenze“ von 20 Personen an diesem Morgen erreicht. Mag es nun an der suggestiven Kraft des Themas liegen oder daran, dass Biertrinker bei längeren „Aufenthalten in Brauanstalten“ grundsätzlich zur Zufriedenheit neigen, oder ist es schlicht eine glückliche Fügung: vom ersten Moment an ist die Atmosphäre entspannt, offen, wissbegierig und sehr freundlich. Dazu trägt natürlich auch der Braumeister des Hauses bei. Von Beginn an, ist es sein Bemühen, diesen Kurs für alle, d.h. alle (!) zu einem vergnüglichen Erlebnis werden zu lassen.

Alles beginnt mit der Erklärung der Werkzeuge, die jeder Teilnehmer auch selbst in die Hand nehmen darf und es kommt einem wieder zu Bewusstsein, welch altehrwürdiges Handwerk das Braugewerbe doch eigentlich ist. Alt und aller Ehre würdig schon deshalb, weil neueren europäischen „Lockerungsübungen“ zum Trotz, noch immer das Reinheitsgebot von 1516 die Grundlage der heimischen Brauer ist. Wasser, Hopfen und Malz sind demnach die ausschließlichen Zutaten und da ist es für alle Berliner Brauer geradezu ein Segen, dass Spree und Havel ein besonders geeignetes Brauwasser mit sich in die Stadt bringen. Und ist der Geschmack des Wassers auch den meisten Kursteilnehmern bestens bekannt, so bergen die Kostproben der übrigen Zutaten doch einige überraschende Geschmackserlebnisse. Die verwendete Gerste beispielsweise unterscheidet sich von der des Bäckers vor allem durch einen wesentlichen höheren Stärkeanteil und eine besondere Eiweißstruktur und dass es sich beim Malz um ein künstlich zum Keimen gebrachtes Getreide handelt, ist selbst für den einen oder anderen Bierfreund eine echte Neuigkeit. Und mit leicht verzogener Miene beendet einer der Kursteilnehmer seine Hopfen-Probe mit dem Fazit: „ein tierisch bitteres Zeug!“ Kein Wunder, ist der Hopfen doch für die Würze des Bieres zuständig.

Doch nun mal der Reihe nach: in einem imposanten 50 Liter Kessel, dem Brautopf, wird das Wasser auf 73 Grad erhitzt und die Braugerste zugegeben. Das Ganze wird intensiv gerührt bis durch die Umwandlung von Eiweiß in Zucker ein dickflüssiger Brei – „wie Erbsensuppe“ bemerkt ein Teilnehmer überrascht – entsteht. Nun wird der Hopfen fein dosiert hinzugefügt und das Malz, das für Färbung und Aroma gebraucht wird. Der ganze Arbeitsvorgang heißt im Braudeutsch „Einmaischen“ und ist der erste Schritt auf dem Weg zum verheißenen Genuss.

Ein guter Zeitpunkt also für kleine Pause, in der sich die Teilnehmer in Gesprächen rund ums Bier kennenlernen können. „Bier verbindet!“ Überhaupt ist Kommunikation ein wesentlicher Bestandteil des Braukursus am Südstern, keine Frage bleibt unbeantwortet, kein Vorgang unerklärt.

Zurück zum Brautopf! Die Maische wird dann „geläutert“, d.h. alle Schwebestoffe werden herausgefiltert, bevor nun die Hefe zugegeben wird. Auch bei der Hefe handelt es sich um speziell für die Brauerei gezüchtete Hefestämme, die man nicht mit den drolligen kleinen ‚Backhefewürfeln“ verwechseln sollte. Aufgabe der Hefe ist es, den gewonnenen Zucker in Alkohol umzuwandeln. Das Bier muss nun ca. 4-6. Wochen ruhen. Wenn der Zucker restlos in Alkohol umgewandelt ist, stirbt die Hefe ab und wird herausgefiltert. Soweit in groben Zügen der Brauvorgang! Der Kursus aber ist damit noch nicht beendet. Bei einem angemessen deftigen Mittagessen bestimmen Stichworte und Begriffe die Gesprächsrunde, die zwar selbst jeder Abstinenzler schon einmal gehört hat, die aber auch ein trinkfester Konsument nicht immer treffend zuzuordnen weiß: „Starkbier“ „Bock“ und „Doppelbock“ , „ober-“ oder „untergärig“! Deshalb zum Abschluss noch in Kürze einige der lehrreichen braumeisterlichen Erläuterungen auf unsere Fragen:

Die bezeichneten Biersorten unterscheiden sich vor allem durch ihren Alkoholgehalt: das berühmte Pils hat ca. 5 Prozent Alkohol, das Starkbier (auch Bockbier genannt) beginnt bei 6 Prozent und der „Doppelbock“ entsprechend bei 12 Prozent. Darüber hinaus unterscheiden wir zwei Gärungsarten: das obergärige Altbier, Kölsch sowie sämtliche Weizenbiere und das untergärige Pils, Export und die Familie der Schwarzbiere. Wieso aber „ober“ und „unter“? Also das kommt so: bei der Umwandlung von Zucker in Alkohol entsteht als Nebenprodukt Kohlensäure. Wird viel Kohlensäure produziert, schwimmt die Hefe oben und es entsteht ein „obergäriges“ Bier, verwendet der Braumeister dagegen eine Hefe, die beim Umwandlungsvorgang weniger Kohlensäure produziert, setzt sich die Hefe am Boden ab und man spricht von „untergärigen“ Bier. Klingt so beschrieben an dieser Stelle vielleicht ein wenig trocken, aber im Brauhaus Südstern… tja…“ grau, mein Freund, ist alle Theorie!“… oder wie es ein Kursteilnehmer zusammenfasste: “ Für mich ein Erlebnis mit allen Sinnen!“