Neptunbrunnen Frauenfigur Oder

Bevor wir mit der taktilen Führung der Oderfigur beginnen, ihre wichtigsten Details. Die über drei Meter große Frau sitzt auf dem Rand des Neptunbrunnens. Zu ihren Füßen liegt ein Ziegenbock. Über ihren Schoß ist ein Ziegenfell gebreitet. Ihr Körper ist dem Betrachter zugewendet, ihren Kopf dreht sie jedoch in die andere Richtung. Mit der rechten Hand hält sie eine große Vase, eine sogenannte Amphore, ins Brunnenbecken hinein. Mit der linken Hand stützt sie sich auf dem Brunnenrand ab. Die Figur besteht aus Bronze. Bitte beachten sie eine Gefahrenstelle für den Tastenden: die beiden Hörner des Ziegenbocks zu Füßen der Oder stehen weit vom Kopf des Tieres ab und sind sehr spitz!

Zu Beginn stellen Sie sich auf die obere der beiden Treppenstufen, die zum Brunnenrand hinaufführen, und zwar an die linke Seite der Figur. Die Treppenstufen aus Granit sind zirka fünf Zentimeter hoch und 30 Zentimeter breit, so dass Sie genügend Platz haben. Hier finden Sie die Beine der Oder, die Ihnen ihre Vorderseite zuwendet, das linke, ausgestreckte Bein verdeckt das rechte, angewinkelte.

Umfassen Sie den linken Fuß der Oder. Die beste Tastposition haben Sie in der Hocke. Der Fuß aus Bronze wird sich glatt und kalt anfühlen. Sie können auch jeden einzelnen Zeh abtasten, jeder von ihnen – wie überhaupt jedes Detail der Figur – ist eng nach der Natur gestaltet. Beachten Sie allerdings, dass die Oderfrau mit ihren drei Metern 30 ungefähr zweimal größer als der normal gebaute Mensch ist, das betrifft (fast) jedes Körperteil.

Nun fahren Sie auf dem linken Bein der Oder über Knöchel und Wade den Unterschenkel hinauf, lassen Ihre Hand für einen Augenblick auf dem runden Knie ruhen und gelangen dann zu dem Ziegenfell, das über die Oberschenkel und den Schoß der Frau gebreitet ist.

Bei der Oderfigur haben wir es mit zwei Ziegen zu tun, mit einer „toten“ Ziege in Form des eben erwähnten Felles auf ihrem Schoß und mit einer „lebendigen“ Ziege in Gestalt eines Ziegenbocks, der seitlich zu ihren Füßen lagert.

Zunächst zu dem Ziegenfell auf dem Schoß der Oder. Auf der einen, brunnenabgewandten Seite, der Schwanzseite sozusagen, berührt es den Rücken des Ziegenbocks. Die andere Seite ist vom Künstler mit einem vollständigen Ziegenkopf ausgestattet worden, der auf dem Brunnenrand abgelagert ist. Wenn Sie auf dem Fell beziehungsweise seiner Nachbildung mit den Händen hin und her gleiten, werden Sie die vielen Einkerbungen oder Einbuchtungen darin fühlen, die die Dichte und Struppigkeit des Fells in der Natur verdeutlichen.

Bei der Ertastung des Ziegenkopfes bekommen Sie möglicherweise einen leichten Schreck, wenn Ihre Finger in zwei Löcher gleiten, die sich im Abstand von zirka fünf Zentimetern auf der Vorderseite des Kopfes befinden: Das sind die Augenlöcher des (toten) Tieres. Unmittelbar darunter streichen Sie über den Nasenrücken, die kleine runde Nase, die Wangen und schließlich über das Maul der Ziege. Sehr gut ertasten lassen sich die beiden Hörner, die seitlich vom Schädel abstehen. Sie sind etwa fünfzehn Zentimeter lang und zwiefach gewunden, das heißt, sie sind einmal in der Mitte und einmal zur Spitze hin gebogen. Der Hornansatz ist ungefähr dreimal so dick wie die Hornspitze.

Etwa auf der Höhe des Ziegenfellkopfes finden Sie hinter dem Brunnenrand (im Brunnenbecken) eine sogenannte Amphore, eine antike römische Vase, die jede der vier Frauenfiguren des Neptunbrunnens, neben der Oder sind das die Weichsel, die Elbe und der Rhein, mit sich trägt.

Wenn Sie sich auf den Brunnenrand setzen und sich leicht nach links drehen, kommen Sie besser an die Vase heran. Achten Sie aber bitte auf die spitzen Hörner des Kopfes der „toten“ Ziege auf dem Schoß der Figur.

Die Amphore ist etwa einen Meter hoch, hat im Mittelteil einen Bauchumfang (Durchmesser) von etwa 20 Zentimetern und besitzt einen Fuß und einen Ausguss. Die Oderfrau umfasst mit der rechten Hand den Ausguss und drückt sich die Vase beziehungsweise deren Fuß gegen die Hüfte. Der Mittelteil der Vase ist mit vielen Details versehen, die Sie erspüren können, zum Beispiel mit fein gestalteten Rosenblüten. Aus dem Ausguss fließt im Sommer in das Brunnenbecken unablässig Wasser.

Nun zu dem Ziegenbock rechts zu Füßen der Oder. Er ist in seiner liegenden Position etwa einen Meter und 50 Zentimeter lang und 70 Zentimeter hoch. Den rechten Hinter- und den linken Vorderfuß streckt das Tier von sich, die beiden anderen Füße sind unter dem Fell verborgen. Sie können sogar, wenn Sie noch einmal in die Knie gehen, mit Ihrer Hand die linke vordere Klaue, das ist das Zehenendorgan des Paarhufers, umfassen. In der Natur wird die Klaue von einer Hornkapsel geschützt.

Tasten Sie sich nun auf dem Fell des Ziegenbocks nach rechts bis zu seinem Kopf voran. Sie finden hier seine Nase, den Nasenrücken, seine Augen („richtige“ Augen, keine Augenlöcher), seine Ohren und seine Hörner, die mit etwa 40 Zentimetern noch länger und auch noch spitzer sind als die des „toten“ Tieres auf dem Schoß der Oderfigur. Allerdings sind sie nur einmal nach außen gewunden.

Weiter geht es mit dem Oberkörper und dem Kopf der Oder. Sie befinden sich wieder in der Position, in der Sie das Ziegenfell auf ihrem Schoß ertastet haben.

Oberhalb des Felles ertasten Sie den etwas gewölbten Bauch und den breiten, ausladenden Hüftansatz der Frau. Es folgen die unbedeckten runden Brüste und die Schultern. Fühlen Sie die (im Sommer angenehme) Kälte und Glätte der Bronze. Beachten Sie dabei, dass zu Füßen der Figur der Ziegenbock liegt, über den Sie nicht stolpern sollten.

Wenn Sie rechts um den Ziegenbock herumgehen, haben Sie freien Zugang zur Rückenpartie der Figur. Das einzige Hindernis sind ihr linker Arm und ihre linke Hand, mit denen sie sich auf dem Brunnenrand abstützt. Sie können auf diesem kräftigen Arm auf- und abwärts tasten, sogar die Muskeln und Sehnen sind vom Künstler herausgearbeitet worden. Das Gleiche gilt für den Rücken, die Schulterblätter, die Wirbelsäule und den Gesäßansatz. Zu diesen Körperpartien gelangen Sie links am linken Arm vorbei, rechts vom linken Arm befindet sich der Brunnenrand beziehungsweise das Brunnenbecken.

Zum Schluss der Kopf der Oder. Sie müssen sich selbst allerdings ziemlich in die Höhe strecken, um zumindest den Hinterkopf und die langen, kräftigen, hier aber von einem Fischernetz bedeckten und eng an den Kopf gedrückten Haare der Frau zu ertasten.

An ihre Ohren, ihre Augen und an ihr Gesicht mit der Stupsnase, den schmalen Wangen, dem skeptisch zusammengekniffenen Mund und dem runden Kinn gelangt man nur, wenn man auf den Schoß der Figur klettert. Sollte Ihnen das – freilich nur mit tatkräftiger Unterstützung von Begleitpersonen – gelingen, so werden Sie allein am Ertasten der Augen Ihre Freude haben: Augenbrauen, Augenlider, selbst der Augapfel und die Wimpern wurden vom Künstler detailliert und meisterhaft gestaltet.

Der Kopf der Oder wendet sich, im Gegensatz zum Körper, vom Betrachter ab, und ihr Blick geht versonnen und in sich gekehrt in Richtung Brunnenbecken. Das erzeugt eine wunderbare Spannung innerhalb der Figur. Wir können uns an ihrem schönen Körper mit den kräftigen Schultern, den vollen Brüsten und dem runden Bauch erfreuen aber wir wissen oder ahnen nicht, was sie „denkt“.

Stand 2021