Neptunbrunnen

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Der Neptunbrunnen

Unbedingt zu den Top-Sehenswürdigkeiten in Berlin gehört der Neptunbrunnen oder auch Neptunsbrunnen, wie er zuweilen genannt wird, im Park am Fernsehturm (Rathausvorplatz) zwischen der Marienkirche und dem Roten Rathaus. Er war stets ein beliebtes Fotomotiv und wird mit dem nahen Fernsehturm, der Weltzeituhr und dem Marx-Engels-Denkmal in einem Zug genannt. Der Neptunbrunnen ist ein sehr komplexes Bauwerk. In seiner Mitte sitzt oder vielmehr thront auf einem Felssockel in einer Muschelschale der antike römische Meeresgott Neptun mit dem Symbol seiner Macht, dem Dreizack, den er über die Schulter geworfen hat. „Bevölkert“ wird der Brunnen außerdem von bronzenen Meeres- und Flusstieren wie Schildkröte, Seehund, Krokodil und Schlange und von wasserspeienden Putten und Tritonen. Nicht zu vergessen die vier Frauengestalten am Rande der Schale, die vier mitteleuropäische Ströme und die Landschaften, die sie durchfließen, personifizieren: den Rhein, die Weichsel, die Elbe und die Oder. Für viele Berliner und Randberliner ist der Brunnen, der heute unter Denkmalsschutz steht, mit persönlichen Erinnerungen verbunden. Als Kinder sind sie mit ihren Eltern oder mit der Schulklasse hierhin gepilgert, später haben sie ihre Gäste zu ihm geführt. Die traditionellen Weihnachtsmärkte fanden und finden direkt vor den Augen des Wassergottes statt, aber auch einmalige Ereignisse, wie die X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten 1973 zum Beispiel.

Errichtet wurde der Schlossbrunnen, wie er ursprünglich hieß, in den Jahren 1888 bis 1891 von Reinhold Begas im Stil des Neobarock. Er stand auf dem Schlossplatz vor dem Portal II auf der Südseite des Berliner Schlosses, das ist schräg gegenüber dem heutigen Neuen Marstall. Hier mündete die Breite Straße, in der damals viele Hofbeamte und Bedienstete wohnten, in den Platz. Der Vorschlag für einen Monumentalbrunnen an dieser Stelle stammte von Karl Friedrich Schinkel. Der junge Bildhauer Reinhold Begas – er lebte von 1831 bis 1911 – griff die Idee auf und entwarf nach einer Italienreise, auf der er sich von barocken Vorbildern inspirieren ließ, in den 1870er Jahren mehrere Varianten, von denen die letzte schließlich zur Ausführung kam. Als Geschenk des Berliner Magistrats an Kaiser Wilhelm II., der im Schloss residierte, wurde der Brunnen am 1. November 1891 eingeweiht. Er zählte damals (und zählt heute) zu den größten bildkünstlerischen Anlagen der Welt, und Reinhold Begas wurde durch ihn berühmt. Der Standort auf dem Schlossplatz war nicht zufällig gewählt, er diente als Omphalos. Das Wort kommt aus dem Altgriechischen und bezeichnet einen Stein, der dem Mythos nach von zwei vom Göttervater Zeus ausgesandten Adlern unabhängig voneinander in Delphi abgelegt wurde. Delphi wurde damit zum „Nabel“ beziehungsweise zum Mittelpunkt der Welt. Dieser Bezug auf die Geschichte entsprach dem Selbst- und Machtbewusstsein der preußischen Herrscher: der Schlossplatz als Mittelpunkt des Deutschen Reiches.

Der Brunnen hatte aber auch eine geografische Bedeutung. Von ihm aus wurde die preußische Meile, das sind zirka 7,5 Kilometer, gemessen. Den Zweiten Weltkrieg überstand der Brunnen, nachdem man ihn 1942 eingemauert hatte, unbeschadet. 1946 legte man ihn wieder frei. Die Sprengung des Schlosses 1950 hinterließ jedoch erhebliche Schäden, zudem beschädigten Buntmetalldiebe die Figuren, so dass sie 1951 eingelagert wurden. Dabei wurde die Brunnenschale aus poliertem rotem schwedischem Marmor, die wie ein Spiegel wirkte, zerstört. 1969 wurde der Brunnen im Park am Fernsehturm zwischen der Marienkirche und dem Roten Rathaus – hier befand sich das im Zweiten Weltkrieg zerstörte und anschließend abgerissene Marienviertel – im Zuge der Neugestaltung des Stadtzentrums neu errichtet. Die Restaurierung der Figuren erfolgte durch den Bildhauer Hans Füssel und die Kunst- und Glockengießerei Lauchhammer. Die neue Brunnenschale bestand beziehungsweise besteht aus rotem Jawlensker Granit (aus der Region Transbaikalien im russischen Fernen Osten), und die Außenstufen sind aus grauem Granit.

Allerdings hieß der Brunnen nun nicht mehr Schlossbrunnen, sondern Neptunbrunnen. Das Schloss beziehungsweise dessen Ruinen als Symbol der Preußenherrschaft waren den Mächtigen in der DDR suspekt. Der Berliner Volksmund hatte sich von Anfang an ohnehin nicht an die offizielle Bezeichnung gehalten und den Brunnen „Forckenbecken“ in Anspielung auf den damaligen Bürgermeister Maximilian von Forckenbeck und auf die „Forke“ (den Dreizack) des Neptun genannt. Auch für die vier Frauenfiguren am Brunnenrand ließ man sich etwas einfallen, sie sind angeblich die einzigen Berlinerinnen, die den „Rand“ (den Mund) „halten können“. Der Neptunbrunnen in der Mitte Berlins besitzt aber nicht nur eine spannende Geschichte, sondern auch eine spannende Gegenwart. Im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau des Berliner Schlosses seit 2013 als Humboldtforum wird über die Rückkehr des Brunnens an seinen ursprünglichen Ort, den Schlossplatz, kontrovers diskutiert.

Für Blinde und Sehbehinderte gibt es die Möglichkeit, eine der vier Frauenfiguren, die die Ströme symbolisieren, zu ertasten (siehe und höre die Tastführung) und sich von der Audiodeskription den Brunnen mit dem eindrucksvollen Neptun und den vielen Wassertieren beschreiben zu lassen. Auch die leichte Erreichbarkeit vom S- und U-Bahnhof Alexanderplatz sowie vom U-Bahnhof Rotes Rathaus spricht für einen Besuch. Man kann aber auch einfach nur die schöne entspannte Atmosphäre hier genießen, insbesondere im Sommer, wenn die Figuren Wasser speien, der Wind die Wassertropfen in alle Richtungen sprüht, Kinder jubeln und die Touristen begeistert Fotos schießen. Dann hat man auf jeden Fall das Gefühl, wenn auch vielleicht nur für den Augenblick, am Mittelpunkt der Welt zu sein.

Stand 2021

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